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SG066 Verschiedene Arten von Modellen in der Physik

© H. Hübel Würzburg 2013

Teilchenmodell

Wellenmodell des Lichts

Glossar

Physik für Schülerinnen und Schüler

U.a. kennt man  im Physik-Unterricht folgende Arten von Modellen:

Wissenschaftliches Modell

Dabei handelt es sich um ein umfassenderes weitgehend anerkanntes Bild der Natur, das in keinem bisher bekanntem Punkt in Widerspruch zu Beobachtungen steht. Es stellt ein von Menschen entworfenes Bild der Natur dar, nicht die Natur selbst. Es ist durch Experiment und Theorie abgesichert. Man glaubt heutzutage, dass man die Natur nur mit Hilfe von solchen Bildern, wissenschaftlichen Modellen, beschreiben kann. Zeilinger: "Science does not tell us how nature is, but what we can say about nature." Ziel der Wissenschaft ist es solche wissenschaftlichen Modelle zu entwickeln.

Beispiele:

Elektrodynamik,

Quantentheorie

Die Elektrodynamik oder die Quantentheorie stellen solche wissenschaftlichen Modelle von Teilbereichen der Natur dar: in sich geschlossene Theorien, die derzeit als richtige Beschreibung der Natur gelten, aber nicht die Natur selbst sind. Nur bei seltenen fundamentalen Neuentdeckungen, die häufig zu einem Paradigmenwechsel führten, bestand in der Vergangenheit Anlass, eine frühere Theorie (das Modell) so zu erweitern, dass die alte Theorie in eine neue eingebettet erscheint.

Arbeitsmodell

Es stellt ein Vehikel zur Erkenntnisgewinnung dar, damit also eine Zwischenstufe.

Beispiel:

Bewegung eines Massenpunktes

Ein Beispiel ist die Bewegung eines Massenpunktes: Ein solches Modell stellt häufig eine bewusste Vereinfachung gegenüber der Realität dar mit dem Ziel, allein die für die angestrebte Fragestellung notwendigen Eigenschaften zu erfassen. In anderen Fällen wird es bewusst als vorläufiger Zwischenschritt eingesetzt, weil man zum Beispiel im Augenblick nichts besseres machen kann. In einer bestimmten Phase der wissenschaftlichen Entwicklung sind solche Arbeitsmodelle notwendig.

Sie können bei Bedarf / jederzeit erweitert werden (z.B. zum ausgedehnten Körper, auf den Drehmomente wirken); es ist auch klar, dass das Arbeitsmodell bei höheren überschaubaren Anforderungen erweitert werden muss.

Beispiel:

Untersuchung einer Bewegung

Bei bekannten Anfangsbedingungen folgt eine eindeutige Bewegung, wenn die Masse eines Massenpunktes und die wirkende Kraft bekannt sind (Kausalität).

Wenn eine unbekannte Bewegung analysiert werden soll, ist die Kraft häufig nicht bekannt. Man kann einen Ansatz für die Kraft machen und damit die Bewegung vorherberechnen, z.B. nach der "Methode der kleinen Schritte". Der Kraftansatz und die darin vorkommenden Parameter werden soweit variiert, bis die berechnete Bewegung mit der beobachteten weitgehend übereinstimmt.

Jeder der Ansätze für die Kraft stellt ein Arbeitsmodell dar. Das optimale Modell (der optimale Kraftansatz), bei dem Folgerungen aus dem Modell am besten mit Beobachtungen in Übereinstimmung sind, gilt als vorläufiges Zwischenergebnis, das solange Gültigkeit behält, bis eine Theorie oder andere Experimente zu einer Erweiterung des Modells zwingen.

Didaktisches Modell

Es versucht, dem Nichtfachmann Vorstellungen zu vermitteln, die sein "Verständnis" unterstützen. Manches didaktische Modell wird auch gegenüber Fachleuten wiederum als Modell von wissenschaftlichen Vorstellungen (Modell vom Modell) eingesetzt, wenn klar ist, was damit in Wirklichkeit gemeint ist, sozusagen als stenographisches Kürzel für komplexere Situationen. Didaktische Modelle entfernen sich im Dienste einer "Verständlichkeit" oder Knappheit der Formulierung (als Metapher) oft von wissenschaftlichen Beschreibungen.

Beispiel:

Brechung von Lichtstrahlen

Wenn ein Lichtstrahl von Luft herkommend schräg auf eine Glasfläche einfällt, wird der Lichtstrahl zum Lot hin gebrochen. Die Theorie und das Snellius'sche Brechungsgesetz lehren, dass dies etwas mit den unterschiedlichen Lichtgeschwindigkeiten in Luft und Glas zu tun hat.

Manchmal wird zur Erklärung für jüngere Schülerinnen und Schüler folgendes Modell eingesetzt: Ein Raupenfahrzeug (Bagger, Panzer, ... ) treffe von der Straße herkommend auf unwegsames Gelände (Sand, Acker, ... ), in dem das Raupenfahrzeug nur noch langsam vorankommt. Die rechte Raupe erreiche als erste die schwierige Zone; sie wird gebremst, während die linke Raupe auf der Straße das Fahrzeug mit noch unveränderter Geschwindigkeit vorantreibt. Es ist klar, dass sich das Fahrzeug nach rechts dreht und erst wieder geradeaus in eine geänderte Richtung weiterfährt, wenn sich das ganze Fahrzeug auf dem schwierigen Terrain befindet. Mit einem Spielzeug-Panzer lässt sich das demonstrieren.

Natürlich hat das Raupenfahrzeug nichts zu tun mit Lichtbrechung. Aber vielleicht ist es dir jetzt plausibel, dass es auch hier zu einer "Brechung" kommt. Du wirst vielleicht die Lichtbrechung als nicht mehr fremdartig, "unverständlich" ansehen. Es handelt sich um ein didaktisches Modell, das vielleicht seinen Zweck bei dir erfüllt hat.

Beispiel:

Wellenmodell eines Elektrons:

Nach der Entdeckung der deBroglie-Wellen (1923) bzw. der Schrödinger-Gleichung (1926) bis zur Etablierung der Quantenphysik war das Wellenmodell von Elektronen ein sinnvolles Arbeitsmodell, mit dem als Hypothese weitere Eigenschaften der Quantenphysik untersucht wurden. Es wurde wohl eine Zeit lang auch als wissenschaftliches Modell angesehen. Nach Etablierung der Quantenphysik Anfang der 30-er Jahre verlor es die Funktion als Arbeits- und wissenschaftliches Modell, überlebte aber als didaktisches Modell in populärwissenschaftlichen Darstellungen und in der Schule ("auf dem Weg zur Quantenphysik"). Als wissenschaftliches Modell hatte es sich als untauglich erwiesen. Nach Etablierung der Quantenphysik geht es in dieser nicht mehr um die Frage "Ist ein Elektron ein Teilchen oder eine Welle". (Es ist ein Quantenteilchen. Es ist mit Sicherheit kein klassisches Teilchen und mit Sicherheit keine Welle.)

Wenn das Wellenmodell so verstanden wird, dass von einer Welle im Anschauungsraum die Rede ist, steht es sicher im Widerspruch zur wissenschaftlich anerkannten Quantentheorie. Wellenfunktionen agieren nicht im Anschauungsraum, wie etwa Schallwellen oder klassische elektromagnetische Wellen, sondern in einem abstrakten Konfigurationsraum, der nur bei einem Teilchen (ohne Spin) auch dreidimensional ist wie der Anschauungsraum. Sie sind nur zuständig für die Vorhersage von zukünftigen Messergebnissen von Quantenobjekten/Quantenteilchen. Aber manche Beobachtungen lassen sich vordergründig und weitgehend nur mit Worten mit einem solchen Modell plausibel machen, obwohl es versucht, auf eine falsch gestellte Frage eine Antwort zu geben.

Also: Mit didaktischen Modellen wird zugunsten einer erwarteten oder vielfach geforderten Anschaulichkeit argumentiert. Sie stellen somit im Idealfall selbst ein didaktisches Modell eines wissenschaftlichen Modell dar.

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Konkrete Modelle sind z.B. das Funktionsmodell eines Wankelmotors, ein Modellversuch mit Ultraschallwellen zur Veranschaulichung der Raumgitterinterferenzen, ein Satz von regelmäßig angeordneten Glaskugeln als Modell für einen Festkörper und auch der Spielzeug-Panzer von oben.

Das klassische Wellenmodell des Lichts galt das ganze 19. Jahrhundert hindurch als wissenschaftliches Modell vom Licht. Es erhielt um 1905 durch Einsteins Photonenmodell Konkurrenz und musste ca. um 1930 durch das Modell der Quantentheorie ersetzt werden. Seitdem hat es nur mehr den Charakter eines Arbeitsmodells oder gar eines didaktischen Modells.

Wissenschaftliche und Arbeitsmodelle werden "theoriegeleitet" entwickelt, d.h. so, dass sie in Einklang mit der bisher bekannten Theorie sind. Besonders bei Arbeitsmodellen werden nur Aspekte der Theorie außer Acht gelassen, die vermutlich keinen Zusammenhang mit der zu untersuchenden Fragestellung haben. Darüber hinaus sind sie "hypothesengeleitet", d.h. in sie fließen Hypothesen ein, die in Verbindung stehen mit der Fragestellung.

Im Laufe des wissenschaftlichen Fortschritts werden Modelle häufig verbessert, indem immer mehr zusätzliche Fakten berücksichtigt werden, oder indem ein ganz anderes Modell konstruiert wird. So wurden Teilchen- und Wellenmodell des Elektrons ersetzt durch das moderne Bild des Elektrons, das Quantenmodell des Elektrons (Elektron als Quantenobjekt), das Phänomene erklären kann, zu deren Beschreibung früher das Teilchenmodell oder aber das konkurrierende Wellenmodell herangezogen werden musste. Kriterien für verbesserte Modelle sind, dass sie Beobachtungen genauer oder umfassender beschreiben. Das Quantenmodell des Elektrons verwendet gleiche Charakteristika und Methoden wie das Quantenmodell des Atoms oder das Quantenmodell des Protons. Das ist überhaupt ein Ziel der Forschung, dass man nämlich nicht für jedes Phänomen ein neues Modell konstruieren muss, sondern dass man mit einem umfassenderen Modell viele Phänomene erfassen kann.

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( Oktober 2013 )