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Physik für Schülerinnen und Schüler

Trägheit

© H. Hübel Würzburg 2013

Empfohlene Glossarthemen:

Masse

Wechselwirkung

Kraft

Glossar zur Physik für Schülerinnen und Schüler

Physik für Schülerinnen und Schüler

Ein Auffahrunfall

Ein schnell fahrender Autofahrer übersieht das Stauende und fährt ungebremst auf den letzten PKW des Staus auf.

Es entstehen typische Verletzungen: Der Fahrer des urspünglich stehenden PKWs (A) verletzt seine Halswirbelsäule (Gefahr des Schleudertraumas). Der Kopf des Fahrers vom urspünglich fahrenden PKW (B) wird gegen die Windschutzscheibe geschleudert (Gefahr des Schädelbruchs).

Bei beiden Verletzungsarten zeigen sich Folgen der Trägheit. Der Kopf von Fahrer A versucht, weiterhin in Ruhe zu bleiben, während der PKW unter ihm nach vorne gestoßen wird.

Der Kopf von Fahrer A widersetzt sich einer Beschleunigung (einem Schnellerwerden).

Der Kopf von Fahrer B versucht, weiterhin in Bewegung zu bleiben, während der PKW unter ihm schlagartig abgebremst wird.

Der Kopf von Fahrer B widersetzt sich einem Abbremsen.

Ein Stein wird an eine Schnur gebunden und - unter Beachtung von
Sicherheitsmaßnahmen - um den Kopf gewirbelt. Nur, wenn an der
Schnur gezogen wird, schwenkt der Stein auf die Kreisbahn ein.
Wird die Schnur losgelassen, fliegt der Stein tangential davon. Dann siegt
die Trägheit.

Der Stein widersetzt sich einer Richtungsänderung.

Ein Hammerwerfer braucht viel Kraft, um den Hammer mit hoher Geschwindigkeit auf eine Kreisbahn zu zwingen. Der Hammer "möchte" geradeaus weiter fliegen.

Der Athlet braucht viel Geschick, um im rechten Moment loszulassen. Dann fliegt der Hammer tangential an die vorherige Kreisbahn in die gewünschte Richtung. Die Trägheit verhindert dann weitere Richtungsänderungen.

Der Hammer widersetzt sich einer Richtungsänderung.

Man fasst diese Beobachtungen zusammen  und sagt, alle Körper widersetzen sich Änderungen des Bewegungszustands. Von einer Änderung des Bewegungszustands spricht man, wenn  ein Körper schneller oder langsamer wird,  oder wenn er seine Bewegungsrichtung ändert. Diese Eigenschaft (fast) aller Körper nennt man Trägheit. Zu dieser Erfahrungstatsache hat man nie eine Ausnahme gefunden; deswegen formulierte man sie als Trägheitsprinzip:

Trägheitsprinzip

             Alle Körper mit Masse sind träge, d.h. sie versuchen, ihren Bewegungszustand beizuhalten.            

Auch du bist träge im physikalischen Sinn. Du merkst es z.B., wenn du einigermaßen reibungsarm auf Schlittschuhen stehst. Um dich in Bewegung zu setzen, muss deine Freundin oder dein Freund eine recht große Kraft auf dich ausüben. Umgekehrt, wenn du vor einem Hindernis schnell abbremsen möchtest, hast du auf dem glatten Eis möglicherweise einige Schwierigkeiten.

In einem anderen Kapitel wirst du erfahren, dass die Masse ein Maß für die Trägheit eines Körpers ist. Deine Trägheit (Masse) ist wohl in der Größenordnung von 50 kg. Deshalb wurde im Trägheitsprinzip "mit Masse" gleich hinzugefügt. Es gibt nämlich auch Körper ohne Masse, für die das Trägheitsprinzip keinen Sinn hat. Das Trägheitsprinzip ist ein wirkliches Gesetz, sogar noch grundlegender als viele andere. Es ist eine Erfahrungstatsache, die sich nicht auf noch grundlegendere zurückführen lässt. Deswegen nennt man sie nicht nur ein Gesetz, sondern sogar ein Prinzip.

Klar ist jetzt: Alle Körper mit Masse versuchen, ihren Bewegungszustand beizubehalten. Die Frage ist nur: Wann gelingt es ihnen wirklich, ihren Bewegungszustand beizubehalten?

Newton hatte seine Beobachtungen (sinngemäß) anders formuliert:

Trägheitsgesetz von Newton (1. Gesetz von Newton)

Ein Körper, auf den keine Kraft einwirkt, behält seinen Bewegungszustand bei. Er bleibt dann entweder weiterhin in Ruhe, oder bewegt sich weiterhin mit konstanter Geschwindigkeit geradeaus und verändert nicht seine Bewegungsrichtung.

Dieses Gesetz war zu Newtons Zeit revolutionär. Denn es war damals noch gar nicht klar, was eine Kraft ist. Es wurden viele so genannte "Kräfte" diskutiert, die wir heute nicht mehr als Kräfte auffassen. Manche dieser damals so genannten Kräfte ähnelten der heutigen Energie, manche dem heutigen Impuls. Deswegen hatte Newton von einer "vis impressa", einer (von außen) "eingeprägten Kraft" gesprochen; die glaubte er zu kennen. Nur diese wird heute noch als Kraft verstanden. Aber viele Bewegungen, so genannte "natürliche Bewegungen" sah man vor Newton überhaupt nicht als Wirkung einer Kraft an. So sollte der Fall eines Steins (sei er beschleunigt oder auch nicht) nicht etwa durch die Gewichtskraft hervor gerufen sein, sondern ohne Kraft nur deshalb erfolgen, weil der Stein "seinem natürlichen Ort zustrebe", dem Erdmittelpunkt; so glaubte man damals. Dem setzt Newton sein 1. Gesetz entgegen.

Und was soll die Kraft sein, von der er spricht? Vor Newton galt (sinngemäß) die Definition von Aristoteles: Nur "gewaltsame" (nicht "natürliche") Bewegungen benötigen eine Kraft. Das was Aristoteles "Kraft" nennt, ist für sie die Ursache der Bewegung (!). Der Fortschritt kam eben gerade durch Newton:

Denn tatsächlich handelt es sich bei diesem vermeintlichen Gesetz um eine indirekte (aber nur qualitative) Definition einer Kraft:

             Eine Kraft soll die Ursache für eine Änderung (!) des Bewegungszustands sein.          

Nach heutiger Auffassung  ist es also kein Gesetz. Aber als qualitative Definition einer Kraft hat es eine wichtige Bedeutung und wird zusammen mit dem Trägheitsprinzip mit Recht im Physik-Unterricht weiterhin gelehrt. Eine Kraft kann einen Gegenstand auch verformen.

Natürlich wird ein Körper in der Regel erst durch eine Kraft in Bewegung gesetzt, bevor er sich bewegt. In dieser Phase wird er also beschleunigt. Aber, wenn er sich schon bewegt, wird keine Kraft mehr benötigt, um die Bewegung weiterhin in Gang zu halten. In diesem Sinn sagt man heute, dass eine Bewegung (mit konstanter Geschwindigkeit geradeaus) keine Kraft benötigt. Nur um die Bewegung zu ändern (!) wird etwas benötigt, das wir mit Newton eine "Kraft" nennen. Darin unterscheidet sich der Kraftbegriff Newtons von dem seiner Vorgänger.

Es gibt aber auch Kritiker, die behaupten, das 1. Gesetz von Newton sei überflüssig, denn sein Inhalt sei bereits im 2. Gesetz von Newton enthalten. Dem kann man nach dem Vorangehenden nur teilweise zustimmen. Es ist allerdings richtig: Nach dem 2. Gesetz von Newton folgt aus der Kraft F = 0 auch eine Beschleunigung a = 0  (jeweils Vektoren). Das behauptet auch das 1. NG.